„So ganz allein … hast Du denn keine Angst?“ – ich kann schon gar nicht mehr zählen, wie oft mir genau diese Frage gestellt wurde. Meine natürliche Reaktion auf diese Frage war bisher immer die Gegenfrage, wovor genau ich denn Angst haben solle. Irgendwann bin ich dann auch dazu übergegangen, einfach zurück zu fragen, ob man genau diese Frage so auch einem alleinwandernden Mann stellen würde. Tja, darauf erntete ich immer erstaunte und betroffene Blicke. Erwischt! Als alleinwandernde Frau wird man von außen immer gern in die Schublade mit der Aufschrift „viel zu gefährlich – das geht doch nicht“ gesteckt. Aber dazu soll’s irgendwann noch mal einen gesonderten Eintrag geben. Jetzt erstmal meine Gedanken zum „Allein wandern“. 

Für mich ist es eigentlich schon fast selbstverständlich, allein unterwegs zu sein. Sei es auf Wanderungen oder auf Reisen. Abgesehen davon, dass selten jemand aus meinem Umfeld überhaupt Lust auf meine Reise- und Wanderziele hat, genieße ich es, mich nicht absprechen und keine Kompromisse machen zu müssen, auf niemanden Rücksicht zu nehmen und auch nicht zu verlangen, dass jemand auf mich Rücksicht nimmt. Ich mache ganz einfach gern das, was ich will. Gerade beim Wandern. Ich habe meine eigene Geschwindigkeit, meine eigene Vorstellung davon, wie weit ich an einem Tag laufen will, wann ich Pause machen möchte, wo ich wandern möchte und was ich wie erleben will. Ganz schön egoistisch, oder?! Nein, eigentlich nicht. Ich weiß halt, was ich will und was mir gut tut. Das heißt ja nicht, dass ich nie mit anderen gemeinsam wandern oder reisen kann oder will. 

Wenn man allein wandert, hat man Zeit und Muße, eine andere Beziehung zu seiner Umgebung aufzubauen. Vogelgezwitscher wird nicht durch Konversationen überdeckt, ohne Ablenkung nimmt man den Wind, das Blätterrascheln, das Pulsieren des eigenen Blutes bei Anstrengung, wahr. Das einen Fuß vor den anderen Setzen versetzt einen schon bald in eine Art Meditation, in der die Gedanken kommen und gehen. 

Ich selber nutze die Zeit, die ich auf vor allem Fernwanderwegen verbringe, auch, um neue Musik zu entdecken, Hörbücher und Podcasts zu hören. Ja, ich gebe zu: manchmal ignoriere ich die Geräusche der Natur und stöpsle die Kopfhörer ein und höre interessanten Diskussionen zu oder lasse mir ein Buch vorlesen. Ich bin dann ganz bei mir und werde von nichts abgelenkt. 

Wenn man allein wandert, ist man auch allein. Hier muss ich aber ganz deutlich zwischen dem Alleinsein und dem Einsam sein unterscheiden. Es gibt einen grundlegenden Unterschied: Einsamkeit ist selten freiwillig und immer mit emotionalem Schmerz verbunden. Alleinsein hingegen ist etwas wohltuendes, beruhigendes und Kraft gebendes. Dafür muss man sich jedoch aber auch gut leiden können, denn beim Alleinsein hat man immer auch eine Person dabei – sich selbst. Viele vermuten immer, wenn man lange reist oder lange wandert, dass man vor etwas flüchtet. Um das Alleinsein genießen zu können, muss man verstehen, dass man nicht flüchten kann, nicht vor sich und nicht vor seinem Leben. Man hat sich, seine eigene Vergangenheit, seine Gegenwart, alle Gedanken, Sorgen und Gefühle immer dabei. Sich dessen bewusst zu sein und damit umgehen zu können, sind die ersten Schritte, es tatsächlich auch zu genießen, allein in der Natur zu sein. 

Nichtsdestotrotz, wenn man sich allein für bestimmte oder unbestimmte Zeit zum Wandern in die Natur begibt, sollte man ein paar Dinge im Vorfeld beachten und für sich klären. Wie weit weg werde ich von der Zivilisation, also Hilfe im Notfall, sein? Wie kann ich mich in einem Notfall bemerkbar machen? Kann ich mir in verschiedenen Szenarien selber helfen? Bin ich in der Lage, auch in schwierigem Gelände und auf schlecht markierten Wegen zu navigieren? 

Ich bin die ersten Tage und Wochen auf dem Pacific Crest Trail doppelt und dreifach abgesichert gewandert: Ich hatte eine Wander- und Navigations-App auf meinem Smartphone, die auch im Flugmodus verlässlich meine Postion anzeigt. Aber da irgendwann auch der Akku leer sein kann, das Telefon vielleicht nass wird, vom Blitz getroffen oder sonstwie funktionsuntüchtig werden kann, hatte ich noch ein eTrex Navigationsgerät von Garmin dabei. Zusätzlich dazu ausgedruckte Wanderkarten (die waren richtig schwer!) und einen Kompass. Ich gebe zu, drei Werkzeuge zur Navigation dabei zu haben, ist gerade auf einem so gut ausgebauten und frequentiertem Weg wie dem PCT total übertrieben, aber man weiß nie, was im Leben passiert. Auch wenn ich bisher immer Glück mit dem Wetter hatte und mir nie etwas zugestoßen ist: Man befindet sich draußen in der Natur, ist allem Wetter ausgesetzt und ab vom Schuss. Daher sollte man möglichst immer auch ein Back-Up dabei haben … Ich bin sehr zufrieden mit diversen Wander-Apps, aber Karte und Kompass (vorher unbedingt das Navigieren mit topografischen Karten und Kompass üben!) ODER ein Navigationsgerät können lebensrettend sein. Ein Back-Up, also eine Alternative, sollte man dabei haben, aber App, Navi UND Karte sind zu viel des Guten. 

Im Vorfeld zu jeder längeren Wanderung gehe ich immer verschiedene Szenarien durch und wäge die Risiken ab. Kann ich mir im Notfall selber helfen? Wenn ja, wie? Was könnte ein Notfall sein? In Gegenden mit guter Netzabdeckung ist das Rufen von Hilfe kein Problem. Jedoch sind gerade die landschaftlich reizvollen Fernwanderwege weit abseits von Siedlungen und damit nicht in Reichweite von Telefonmasten. Trotzdem gibt es Möglichkeiten, Hilfe zu rufen: Es gibt sogenannte „Personal Locator Beacons“ oder einen „SPOT“. Je nach Anbieter und monatlichem Tarif hat man eine begrenzte Zahl von Nachrichten, die man im Verlaufe eines Monats an Kontaktpersonen zu Hause senden und auch Nachrichten empfangen kann. Manche Geräte erlauben es auch, sich an einer Postion einzuloggen, so dass man auf einer Website den Verlauf verfolgen kann. Gemein haben diese Geräte jedoch, dass man einen SOS-Ruf absenden kann. Wer viel allein und in abgelegenen Gebieten wandert, sollte über die Anschaffung eines solchen Geräts nachdenken. In jedem Falle wichtig, ja eigentlich selbstverständlich, sollte sein, dass man jemanden aus der Familie oder Freunde über seine Pläne informiert und wann man in etwa wo sein wird. 

Im besten Falle wird es aber nie zum Ernstfall kommen. Trotzdem, man muss sich bewusst sein, dass man beim Alleinwandern sehr wahrscheinlich auch auf sich allein gestellt ist und dass man sich auch genau darauf mental einstellen und nicht auf fremde Hilfe hoffen sollte. 

Das sind alles ernste Themen, über die man nachdenken sollte, trotzdem gibt es keinen Grund, das Alleinsein beim Wandern nicht genießen zu können. Aber wie war das noch mal mit den Ängsten? Nein, auch durch die sollte man sich die Zeit mit sich in der Natur nicht vermiesen lassen. Warum das so ist, schreibe ich HIER. 


Author

Exploring the world and myself by two feet.

Leave a Reply

%d bloggers like this: