Da ich auf dem Pacific Crest Trail das erste Mal überhaupt vom Te Araroa gehört hatte, ich sofort Feuer und Flamme war, bin ich direkt von den USA über Australien nach Neuseeland geflogen, um Anfang Januar im Süden der Südinsel Neuseelands zu starten.

Meine größte Fehleinschätzung des Te Araroa war, dass ich meinte, dass ich meine Wanderung vom Pacific Crest Trail einfach auf den TA übertragen und dort fortsetzen könne. Die erste Lektion, die ich sehr schnell lernte, war, dass jeder Wanderweg individuell ist und seine ganz eigenen Herausforderungen hat.

  1. Der Te Araroa ist NICHT der Pacific Crest Trail.

Natürlich profitierte ich von meinen ganzen Erfahrungen auf dem Pacific Crest Trail. Ich wusste, wie mein Körper funktionierte, ich konnte meiner Ausrüstung vertrauen, ich habe ein gutes Verständnis für notwendige Kalorienzufuhr und meinen gesamten Energiehaushalt. Aber ich habe den Te Araroa nicht nur grundlegend unterschätzt, sondern bin auch nicht ganz mit der richtigen Einstellung auf diesem Weg gestartet. Im Gegensatz zum Te Araroa ist der PCT ein Spaziergang. Der US-amerikanische Fernwanderweg ist nämlich auch für Pferde ausgelegt, und dementsprechend viel einfacher zu gehen.

2. Das Wetter in Neuseeland ist unberechenbar.

Im Gegensatz zum Pacific Crest Trail, wo ich insgesamt max. 3 Stunden Regen auf dem gesamten Trail hatte, muss man in Neuseeland mit der ganzen Palette möglichen Wetters rechnen – innerhalb eines Tages und jeden Tag aufs Neue. Meine Füße waren eigentlich immer nass: Entweder vom Laufen durch Matsch und Schlamm oder durch feuchte Wiesen oder durch Regen oder durch Flußdurchquerungen, die mehrmals am Tag anstanden und wegen denen man irgendwann aufhört, seine Schuhe auszuziehen. Die Füße sind also nass, immer. Neuseeland besteht nun mal aus diesen beiden Inseln im Südpazifik und als Wanderer ist es besonders hier essentiell, das Wetter im Auge zu behalten. Während meiner Zeit im Land zogen zwei verschiedene Zyklone über die Inseln, die im Süden auch Schnee brachten, die TA-Wanderer vom Weg scheuchte und in die Ortschaften trieb. Schwere Regenfälle und heftige Sturmböen machten ein Weiterwandern tagelang unmöglich. Abgesehen von diesen Wetterphänomen zieht immer mal ein kleines Regensystem übers Land. Vielleicht ist es aufmunternd, sich vor Augen zu halten, dass ohne Regen das Land nicht diese sattgrünen Wälder und unglaublich reichhaltige Flora hätte. Wichtig ist also, entsprechende Kleidung dabei zu haben. Und selbst wenn einige Wanderer auf Gore-Tex-Schuhe schwören, würde ich immer wieder mit Trailrunnern in Neuseeland wandern, denn diese trocknen einfach schneller als wasserfeste Schuhe.

3. Die Wanderkultur in Neuseeland ist eine andere.

Von einem Wanderweg aus den USA kommend, hatte ich eine ganz bestimmte Vorstellung davon, was eine Trail-Kultur ist. Das Wandern, insbesondere auf den 3 großen Langstreckentrails in den USA, ist geprägt von Menschen, die Trail Angel genannt werden und mit vereinten Kräften die Wanderer unterstützen: Sei es durch überraschende Verpflegung am Wegesrand (‚trail magic‘) oder durch Einladungen ins Haus oder zum Grillen im Garten oder durchs Organisieren von Mitfahrgelegenheiten.

Darüber hinaus sind vor allem auf den US-Trails viele Wanderer ultraleicht unterwegs – von Schuhen und Bekleidung bis hin zur Ausrüstung wiegt nichts auch nur ein unnötiges Gramm zu viel. Auch erhalten die meisten Wanderer einen Trail-Namen und haben eine mehr oder weniger ähnliche Einstellung zum Wandern. Die Landschaft, ja, die ist natürlich wichtig, aber durch die Beschaffenheit der Wege, die im Gegensatz zu denen in Neuseeland, wunderbar einfach zu bewandern sind, steht oft der Leistungsgedanke des „Meilen machens“ im Vordergrund. Auf dem, z.B., PCT ist es einfach möglich, kontinuierlich 30 Meilen am Tag zu gehen.

In Neuseeland hingegen wissen viele Einwohner noch nicht einmal, dass es den Te Araroa gibt. So etwas wie Trail Magic ist nicht bekannt und schmutzige Wanderer, die in die kleinen Ortschaften entlang des Weges einfallen, werden eher misstrauisch beäugt als respektiert. Die Beschaffenheit der Wege ist eine andere: Es fehlen die vielen Freiwilligen, die wie in den USA die Wege in Ordnung halten, es fehlt an Geld, das Markierungen entlang des Weges bezahlen könnte. Die neuseeländische Einstellung zur Natur ist eine andere. Hier begibt man sich in die rauhe Abgeschiedenheit, um sich einen Weg zu bahnen, um sich der Natur zu stellen und um als Mensch in gewisser Weise abgehärtet zurück in die Zivilisation zu kehren. Eine ultraleichte Ausrüstung ist weitestgehend unbekannt, denn man muss des Wetters wegen immer alles für alle Bedingungen dabei haben. Neuseeländische Wanderer etwa erkennt man an schweren Wanderstiefeln, kniehohen Gamaschen, die vor Nässe schützen sollen, und an einem Rucksack, der zusätzlich noch so etwas wie Taschen vor der Brust hat, wo man eine Regenjacke oder Tagessnacks verstauen kann.

4. Ein Weg ist nicht immer ein Weg.

Der Te Araroa wird nicht immer als Trail, also Wanderweg, bezeichnet. Mal ist es eine „route“ (Route), mal ein Track, mal eine Schotterpiste, mal ein Pfad. Mal geht an in einem trockenen Flussbett, mal watet man für einige Kilometer in einem Fluß, da der Weg am Hang über den Fluß erodiert und nicht mehr begehbar ist. Auf Berge hinauf geht es auf einem schnurgeraden Weg, den Berg wieder hinab, ebenso. Auch wenn sich die Knie und Hüfte bei Wanderstöcken bedanken würden – der Körper schmerzt auf unbekannte Weise jeden einzelnen Abend.

Durch die wahrlich üppige Pflanzenwelt verliert man den Verlauf des Weges nicht nur einmal aus den Augen. Auch wenn zum Teil etwa brusthohe orangefarbene Pfosten den Weg markieren, führt der TA durch Gelände, in welchem die Büsche und das Gras so hoch wachsen, dass man die Pfosten einfach nicht mehr sieht. Dann kämpft man sich mit dem GPS in der Hand durch Gebüsch und Gesträuch.

5. Sei flexibel!

Alle Planungen sind hinfällig, wenn einem das Wetter einen Strich durch die Rechnung macht. Mich hat Zyklon ‚Gita‘ vom Trail gejagt; ein anderes Regensystem hat mich drei Tage in einer Hütte ausharren lassen. Auch sollte man genügend Zeit einplanen, die anderen Schönheiten des Landes zu sehen, oder ein Konzert zu besuchen, oder in einer Stadt ein bisschen hängenzubleiben … ich habe definitiv gelernt, flexibler und entspannter mit der Plannung einer Wanderung umzugehen.

6. Nimms leicht … und genieße.

Die letzte ist gleichzeitig auch die wichtigste Lektion: Nimms leicht, hab Geduld mit Dir und dem Weg und verliere nicht den Humor. Der TA ist kein einfacher Weg – er wird versuchen, Dir Deine Schuhe im knietiefen Schlamm der Wälder im Norden zu entreißen, er wird Dich über Elektrozäune auf Farmland steigen lassen, 20x einen Fluß am Tag queren lassen, er wird die fiesen kleinen Sandflies auf Dich jagen, er wird Dich über zahllose umgestürzte Baumstämme klettern lassen, er wird Deine Knie im endlosen Auf und Ab einer harten Prüfung unterziehen – er wird Dir aber auch das Land von seiner schönsten Seite zeigen, er wird Dich lehren, genügsam zu sein, er wird Dich glücklich manchen. Du musst Deinen eigenen Rhythmus finden und Deine Art, diesen Weg zu gehen.

Author

Exploring the world and myself by two feet.

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