Ich war im August 2014 auf dem nördlichen Teil des Kungsleden zwischen Abisko und Vakkotavaare unterwegs. Für die 112 km benötigte ich 6 Tage und übernachtete in den Schutzhütten des Schwedischen Touristenvereins.

Am ersten Tag bin ich mit dem aus Stockholm kommenden Nachtzug gegen Mittag in Abisko angekommen. Das ist eine kleine Siedlung, die 195 km nördlich des Polarkreises liegt, in der gerade einmal um die 130 Menschen leben und wo der Kungsleden beginnt. Ich bin aus dem Zug gestiegen, ein paar Meter gegangen und stand schon am Beginn des Weges. Die meisten Wanderer jedoch verbringen noch eine Nacht vor Ort und gehen dann frisch am nächsten Morgen los. Ich jedoch wollte mir die Übernachtung und die Kosten dafür sparen und meinte, ich könne die vor mir liegenden 15 km bis zur ersten Hütte in Abiskojaure auch noch locker am Nachmittag des ersten Tages wandern.

Frohgemut und durch die lange Zugfahrt im Schlafwagen auch gut ausgeruht, ging ich also sofort los. Ich schritt durch das Tor des Kungsleden und befand mich auf einem gut ausgebauten, breitem Weg. Die erste Stunde traf ich noch auf einige Tageswanderer, aber relativ schnell war ich allein und wanderte durch kleine Birkenwäldchen, entlang eines Flußes, der schließlich in einer kleinen, aber durchaus beeindruckenden Schlucht verlief. Am späten Nachmittag traf ich an der Abiskojaure-Hütte ein und war nicht überrascht, dass sowohl einige Zelte in umittelbarer Nähe der Hütte standen als es sich auch etliche andere Wanderer bereits in der Hütte gemütlich gemacht hatten. Die Hütte besteht aus 2 Gebäuden, in denen insgesamt 53 Wanderer unterkommen können. Da sie von einem älteren Ehepaar bewirtschaftet wurde, konnte man auch bei Bedarf Proviant kaufen.



Am nächsten Tag standen 22 km bis zur nächsten Hütte, der Alesjaure-Schutzhütte, an. Der Weg führte nun etwas bergan ud schließlich in welligem Auf und Ab über eine Art Hochebene. Bäume wurden deutlich spärlicher und die Wolken zogen windgepeitscht in schnellem Wechsel über den Himmel. Die Alesjaure-Hütte, die bis zu 78 Wanderern Schutz bieten kann, liegt südlich des gleichnamigen Sees und besteht aus mehreren Gebäuden. Durch den Bewirtschafter wurde mir ein Bett in einem der großen Schlafsäle zugewiesen. Witzigerweise traf ich hier einige Mädels wieder, mit denen ich schon am Abend zuvor den Schlafsaal geteilt hatte. Am Abend schaute ich mir die Umgebung an: Gegenüber der Hütte lag in einiger Entfernung eine Sami-Siedlung, in deren Nähe Weideland für große Rentierherden erkennbar war. Da der heutige Tag recht beschwerlich war, ich mit Gegenwind zu kämpfen hatte, schlief ich trotz der nicht untergehenden Sonne schnell ein.


Der dritte Tag wurde ein langer: 25 km bis zur Sälka-Hütte lagen heute vor mir. Ich entschied mich gegen eine Übernachtung nach schon 13 km in der Hütte direkt auf dem Tjäktja-Pass, der mit 1150 m gleichzeitig auch der höchste Punkt des Kungsleden ist. Der Weg zum Pass führte in langen Schlaufen hinauf, vorbei an Schneefeldern vom letzten Winter, der noch nicht lang vorbei war. Kurz bevor ich den Pass erreichte, begann es zu schneien und es wurde deutlich kälter. Unter dem Seitendach der Schutzhütte, die nach dem Pass benannt war, machte ich eine kurze Pause und genoß tolle Blicke über den vor mir liegenden Abschnitt. Der Kungsleden führte weiter hinab in das 30 km lange Tjäktjavagge-Tal. Der Blick übers Tal war spektakulär: Breit und von Flüßen und Bächen durchzogen lag es vor mir, am Horizont meinte ich, Schwedens höchsten Berg, den Kebenkaise, über die anderen Berge lugen zu sehen. Sehr erfreulich war zudem, dass der Pass scheinbar auch als Wetterscheide diente, denn das Tal vor mir sah deutlich heller und freudlicher aus als die Kilometer hinter mir. Beim Abstieg sah ich die ersten Rentiere des Weges, die in einiger Entfernung friedlich grasten. Da ich an der Schutzhütte 3 Mädels wieder traf, mit denen ich schon in den Tagen zuvor Bekanntschaft machte, wanderte ich nun nicht allein zur nächsten Hütte. Mittlerweile schaute auch hin und wieder die Sonne hinter den Wolken hervor und wir ließen es uns nicht nehmen, mehrfach anzuhalten und das ein oder andere Bad in den kalten Bergseen entlang des Weges zu nehmen. Als wir die Sälka-Hütte schießlich erreichten, hatte es die Sonne geschafft, die Wolken zu vertreiben und wir ließen den Abend mit einem ausführlichen Sauna-Gang ausklingen.

Das Saunieren hat in Skandinavien Tradition und ist auch vom Kungsleden nicht wegzudenken. Die meisten bewirtschafteten Hütten entlang des Trails verfügen über eine kleine Saunahütte, die häufig direkt neben einem der vielen kleinen Seen oder Bächen liegt. Auch wenn es anfangs Überwindung kostet, sich splitterfasernackt in das eiskalte Wasser zu stürzen, kann man irgendwann nicht genug davon bekommen. Ich meine, ich war nie zuvor und werde wahrscheinlich auch kaum wieder so sauber auf einem Fernwanderweg unterwegs sein wie auf dem Kungsleden.


Nach dem langen gestrigen Tag folgten heute kurze 13 km zur Singi-Hütte. Der Weg führte weiter durchs Tjäktjavagge-Tal und auch das Wetter meinte es heute gut: Die Sonne schien heiß vom Himmel. Ich war wieder gemeinsam mit den anderen Mädels unterwegs und da wir alle das gleiche Ziel hatten, nutzten wir das warme Wetter, um wieder in jedem einzelnen See entlang des Weges schwimmen zu gehen. So kam es, dass wir heute recht langsam unterwegs waren und trotz der kurzen Etappe erst am frühen Nachmittag in Singi eintrafen. Am Nachmittag saßen wir in größerer Runde schwatzend in der Sonne vor der Hütte und am Abend baten wir den Bewirtschafter der Hütte, die Sauna wieder anzuheizen.


Die Singi-Hütte ist nicht nur ein Ausgangspunkt für Besteigungen des Kebnekaise, sondern auch die letzte Hütte direkt auf dem Kungsleden für Wanderer, die über Nikkaluokta aussteigen wollten. Da die Variante vorbei am Kebnekaise und weiter nach Nikkaluokta sehr populär war, wurde es plötzlich ruhig auf dem Weg. Auch von zwei meiner Mitwandererinnen musste ich Abschied nehmen. Mich führte der Kungsleden heute weiter nach Teusajaure. Auch verließ der Weg heute das Tjäktjavagge-Tal und überwand einen kleinen Pass, bevor sich der Weg hinab zur Kaitumjaure-Hütte schlängelte. Diese Hütte lag direkt an einem wunderschönen großen See, der von Birkenwäldchen umgeben war. Meine Mittagspause verbrachte ich auf der Terrasse der Hütte. Zu meiner großen Überraschung stellte sich der Bewirtschafter der Hütte als ein Deutscher heraus, der vor vielen Jahren nach Schweden ausgewandert war und nun als ehrenamtlicher Hüttenwirt die Sommer im lappländischen Fjell verbringt. Auch versorgte ich mich hier mit einem Tütchen Haferflocken und einigen Schokoriegeln.

Ziel des heutigen Tages sollte die Teusajaure-Schutzhütte sein. Sie liegt äußerst idyllisch direkt an den Ufern des langgezogenen Teusajaure-See und wurde von einem sehr netten älteren Ehepaar bewirtschaftet. Nur wenige Wanderer fanden sich am Abend hier ein – die meisten hatten den Weg bereits verlassen. Umso ruhiger und gemütlicher war es. Am späten Nachmittag wurde die Sauna wieder angeheizt und es war ein großes Vernügen, von der heißen Sauna direkt in den Teusajaure zu springen. Ich konnte nicht genug bekommen! Noch als die Sauna schon längst wieder erkaltet war, schwammen und plantschten wir noch im See. Selten habe ich eine so großartige Abendstimmung erlebt. Die Sonne geht in diesen Breiten nicht unter, aber sie steht niedrig über den Horizont und legt ein magisches Licht über die weite Landschaft.


Der letzte Tag auf dem Kungsleden ist angebrochen. Vor mir liegen nicht nur 15 km bis Vakkotavaare, sondern auch der Teusajaure. Es gibt zwei Möglichkeiten, den See zu überqueren: Entweder rudert man oder man läßt sich vom Bewirtschafter der Hütte gegen ein Entgelt vom Motorboot über den See bringen. Da ich heute in Vakkotavaare den Bus um 14 Uhr nach Gällivare erwischen wollte, entschied ich mich gegen das Rudern (Wer weiß, wie lange ich dafür gebraucht hätte!) und fuhr gemütlich gemeinsam mit Kat aus Holland per Motorboot über den See. Auf den nun folgenden Kilometern, die zunächst relativ steil bergan auf eine Hochebene führten, nahmen wir die Beine in die Hand. Auf keinen Fall wollten wir den Bus verpassen. Von der nun folgenden Hochebene aus hatten wir einen fantastischen Blick nach Südwesten, wo am Horizont die schneebedeckten Gipfel des Sarek-Nationalpark zu sehen waren. Der Sarek, so sagt man, sei die letzte wirklich Wildnis Europas und man könnte wochenlang in ihm wandern ohne einer Menschenseele zu begegnen. In der Ferne sahen wir wieder Rentiere und der Kungsleden verabschiedete sich mit warmen Temperaturen und Sonnenschein von uns. Als wir in Vakkotavaare ankamen, war ich verwundert: Ich hatte mit einer kleinen Siedlung gerechnet, aber viel mehr als eine Hütte und eine Bushaltestelle an einer Schotterstraße gab es hier nicht. Da wir flott unterwegs waren, hatten wir nun noch fast zwei Stunden Zeit bis der Bus fuhr. Vakkotavaare lag direkt am Akkajaure und wir nutzen die Zeit, um noch ein letztes Mal schwimmen zu gehen … und auch, um nicht zu stinkend in den Bus nach Gällivare zu steigen. Nachdem wir nach dem Schwimmen noch an der Hütte gemütlich eine große Portion Pommes aßen und Cola tranken, stiegen wir dann mit etwa 6 anderen Wanderern in den Bus nach Gällivare. In Gällivare vebrachte ich eine Nacht in einem Hostel, bevor ich am nächsten Tag mit dem Zug weiter nach Narvik in Norwegen fuhr.


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Exploring the world and myself by two feet.

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